Herangehensweise
Übersicht
Es ist richtig, dass ein Problemlöser erst anhand seines konkreten Einzelproblems die letztendlich richtige Herangehensweise bestimmen kann.
Darüber hinaus ist richtig, dass es in der anwaltlichen Arbeit eine Reihe „goldener Regeln der Herangehensweise” gibt, die in jedem Fall befolgt werden müssen.
Die aus unserer Sicht zehn wichtigsten dieser „goldenen Regeln“ werden nachfolgend skizziert:
1. Erprobte Arbeitstechniken nutzen
Bei jeder Art von anwaltlicher Arbeit ist es unerlässlich, auf erprobte Verfahren (auch „Arbeitstechniken“ genannt) zurückzugreifen.
Die wirtschaftsrechtliche Anwaltstätigkeit ist zweigeteilt: Einerseits geht es um die Vertretung in gerichtlichen Auseinandersetzungen und andererseits um rechtliche Gestaltungen, insbesondere von Deals.
Im Hinblick auf zivil- und handelsrechtliche Gerichtsverfahren wird die „Relationstechnik” in der juristischen Ausbildung intensiv gelehrt und gelernt. Selbstverständlich orientieren sich auch die Anwälte von Barber Odenbach in Gerichtsstreitigkeiten an dieser Relationstechnik.
Das für das „Deal-Making“ nützliche Methodenwissen wird in der juristischen Ausbildung kaum vermittelt. Es handelt sich stattdessen um Spezial- und Praxiswissen, welches sich im Normalfall erst nach dem Assessorexamen herausbildet – oder auch nicht. Manche Anwältin hat das Glück, sich das Handwerkszeug ganz oder zum Teil von erfahrenen Könnern abschauen zu können.
Auch bei Barber Odenbach gibt es Anwälte, die das auf Deals bezogene Spezialwissen in jahrelanger Tätigkeit in Großkanzleien und Großunternehmen erworben und verfeinert haben. Sie betreiben im Namen von Barber Odenbach den Blog Situation Law.
2. Unterscheidung zwischen Projekt und Aufgabe
Bei jedem neuen Mandat müssen Mandanten und ihre Anwälte sich Klarheit darüber verschaffen, ob sie eine Aufgabe erledigen oder ein Projekt realisieren müssen.
„Aufgaben“ sind Arbeiten, bei denen man aufgrund vergangener Tätigkeiten von Anfang an genaue Vorstellungen von der Qualität des Ergebnisses, dem Lösungsweg und den für eine professionelle Erledigung notwendigen personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen hat. Bei Aufgaben geht es lediglich darum, bereits vorhandenes Handlungswissen (Know-How) erneut abzuspulen. Aufgaben sind Routine-Arbeiten.
Ein „Projekt“ dagegen ist für die Beteiligten ein in der Sache vollkommen neues Vorhaben. In der Sprache von DIN 69901 ist ein Projekt im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet. Z. B. können die Zielvorgabe bzw. zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Bedingungen einmalig sein.
Üblicherweise werden die Anwälte von Barber Odenbach zur Realisierung von Projekten oder von hybriden “Aufgaben-Projekten” hinzugezogen.
Deswegen wird in diesen „goldenen Regeln“ hauptsächlich zu Projektthemen Stellung bezogen.
3. Magisches Dreieck
Bei Projekten und bei “Aufgaben-Projekten” gibt es einen klassischen Zielkonflikt: Einerseits soll das Projektergebnis von höchstmöglicher Qualität sein. Andererseits sollen auch gesetzte Zeit- und Kosten-Budgets respektiert werden (Effizienz).
Beim Projektmanagement müssen sich die Beteiligten daher gekonnt im magischen Dreieck bestehend aus dem Effektivitätsziel Qualität und den Effizienzzielen Zeit und Kosten bewegen. Häufig müssen bei der Qualität Abstriche gemacht werden, damit auch die zeitlichen und kostenmäßigen Ziele eingehalten werden können. (Näheres unter Punkt 5 „sicherster Weg“).
4. Diagnose und Lösung von Problemen im Zusammenspiel mit dem Mandanten
Bei jeder wirtschaftsrechtlichen Arbeit geht es um die Lösung mindestens eines Problems. Die richtige Diagnose des Problems ist Voraussetzung für seine Lösung. Die Diagnose muss stets im Zusammenspiel mit dem Mandanten erstellt werden. Bei einer sorgfältigen Diagnose von Problemen stellt man fest, ob sie eher wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur sind. Die meisten Probleme und Herausforderungen, mit denen wir uns in unserer Kanzlei beschäftigen, haben eine rechtliche und eine wirtschaftliche Seite, sind also hybrider Natur.
Bei solchen hybriden Problemen müssen auch die Lösungen rechtlich und wirtschaftlich gedacht und gestaltet werden. Auch dazu bedarf es einer sehr engen Abstimmung zwischen Mandant und Anwalt, oftmals unter Einbindung mehrerer Experten.
5. Rateverbot
Zu den wichtigsten Grundlagen sorgfältiger Arbeit gehört das Rateverbot. In renommierten Londoner und New Yorker-Kanzleien ist don’t guess die wichtigste Maxime.
Es ist z.B. falsch zu sagen: „Der Vertragsentwurf sieht gut aus und entspricht dem Standard. Er wird schon passen.“
Eine solche Herangehensweise ist eine Form des Ratens.
Richtig ist allein – aufbauend auf der Problemdiagnose (siehe oben 4.) – herauszuarbeiten, wie die einzelnen Klauseln des Vertrages zur wirksamen Lösung der einzelnen (Teil-)Probleme beitragen.
Erst nachdem eine Detailabstimmung zwischen der Problem- und Lösungsseite erfolgt ist, kann man darüber räsonieren, ob der Vertrag „passt“ oder nicht.
6. Der sicherste Weg
Mit dem Rateverbot eng verknüpft ist das vom Bundesgerichtshof für die Anwaltshaftung entwickelte Gebot des sichersten Weges: Anwälte müssen bei der Beratung und Vertretung ihrer Mandanten denjenigen Weg wählen, der am sichersten zum Ziel führt. Das bedeutet, dass Anwälte im Rahmen des magischen Dreiecks (siehe oben Punkt 3) die Aspekte Zeit und Kosten bedenken können und sollten, aber keinerlei Abstriche bei der Qualität machen dürfen.
Zum sichersten Weg gehört es auch, sorgfältig und mit Präzision zu arbeiten.
7. Verzahnung von kaufmännischem und rechtlichem Denken
Wie oben unter Punkt 4 ausgeführt, besitzen die meisten der von uns zu bearbeitenden Probleme eine wirtschaftliche und eine rechtliche Problemkomponente. Daher muss bei der Problemlösung wirtschaftliches und juristisches Denken und Wissen miteinander verzahnt werden. Am besten funktioniert die Verzahnung, wenn sowohl Mandant als auch Anwalt in der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Gegenüber geübt und mit dessen Denkweise vertraut sind. Für Anwälte ist es sehr wichtig, über ein solides Grundwissen in den Geschäftsfeldern, in denen sie tätig sind, zu verfügen. Wenn sich der Anwalt für die Welt des Mandanten interessiert und sich aus diesem Interesse heraus mit seiner Welt beschäftigt, sprechen Mandant und Anwalt in der Folge „dieselbe Sprache“.
Wichtig ist natürlich auch, dass Mandanten Anwälte in ihre Welt und Vorhaben einweisen und an ihrem Wissen teilhaben lassen.
8. Das Fünfeck der Denkebenen
Nach unserer Erfahrung gibt es fünf Denk- und Handlungsebenen („Perspektiven“), auf denen Vertragsgestalter in Richtung effektiver wirtschaftsrechtlicher Lösungen arbeiten müssen.
Die fünf Perspektiven sind:
- Praktische und kaufmännische Perspektive
- Ordnungspolitische Perspektive: Straf- und öffentliches Recht
- Bilanzielle und steuerliche Perspektive: Bilanz- und Steuerrecht
- „Schlechtwetterrechtliche Perspektive“: Zivilprozessrecht, Insolvenzrecht und Vollstreckungsrecht
- Perspektive des Privatrechts und der Vertragsgestaltung.
Hinweis: Der Denkprozess kann durch Einstieg auf jeder der fünf Ebenen gestartet werden. Der ideale Ausgangspunkt jedoch ist ganz oben („12 Uhr“), was bedeutet, dass man sich zunächst mit den praktischen und kaufmännischen Problemstellungen des geplanten Deals beschäftigt und sich dann im Uhrzeigersinn fortbewegt. Eine oder mehrere Denkebenen können auch übersprungen werden. Wer überspringt, muss sicherstellen, dass er die übersprungenen Fragestellungen später berücksichtigt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Indem man den gesamten Denkprozess wiederholt, verbessert und verfeinert man die Lösung, die man ausarbeitet.
9. Möglichst klare Sprache, möglichst klare Struktur
Ein wirtschaftsrechtlicher Text (Schriftsatz oder Vertrag) muss ein Paradebeispiel für klare und allgemeinverständliche Sprache sein. Die einzelnen Sätze müssen mit Hilfe einfacher und den meisten Menschen eingänglicher Syntax aufgebaut werden. Kurze Sätze sind besser als lange. Die einzelnen Worte des Satzes müssen möglichst klar und eindeutig in ihrer Bedeutung sein. Im Zweifel müssen der Duden oder Fachlexika herangezogen werden.
Bei Verträgen muss der Auslegungskanon des deutschen Zivilrechts beachtet werden, d.h. insbesondere, dass der Wortlaut und der erkennbare Sinn von Vertragsklauseln übereinstimmen müssen und auch zur Entstehungsgeschichte des Vertrages passen müssen. Verträge, insbesondere längere Verträge, müssen logisch und systematisch aufgebaut werden.
Wir folgen bei der Vertragstechnik dem modularen Konzept der sechs Baugruppen: 1.) Rubrum und Präambel, 2.) Definitionen, 3.) wirtschaftliche Hauptregelungen, 4.) wirtschaftliche Nebenregelungen, sonstige Vorschriften und Schlussbestimmungen, 5.) Unterschriften und 6.) Anhänge und Anlagen.
10. Teamwork
Teamwork ist bei Vorhaben, die vielfältiges Wissen voraussetzen, die einzig richtige Arbeitsweise. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkten 4 und 7 ergibt, müssen im wirtschaftsrechtlichen Bereich fast immer hybride, d.h. wirtschaftlich-rechtlich verflochtene, Problemlagen bearbeitet werden.
Aus den Darlegungen unter Punkt 8 ergibt sich, dass es auf rechtlicher Seite auf zahlreiche Rechtsgebiete ankommen kann, so dass – je nach Situation – verschiedene rechtliche Experten „an den Tisch“ geholt werden müssen. Eine fast alltägliche Arbeitsteilung ist die Zweiteilung Zivilrecht-Steuerrecht. Aber auch innerhalb eines Rechtsgebiets kann es – z.B. bei engen Zeitbudgets – erforderlich sein, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Schließlich empfiehlt sich bei der juristischen Arbeit aus Sorgfalts- und Präzisionsgründen die Arbeit nach dem Vier- oder Mehr-Augen-Prinzip (Englisch: checks & balances).
Normalerweise kommt es bei Vertragsgestaltungen auch zu parteiübergreifendem Teamwork, denn die Vertragsparteien verfolgen bei dem Projekt nicht nur ihre Partikularinteressen, sondern auch gemeinsame Ziele. Zu den gemeinsamen Interessen gehört es u.a., einen sprachlich und aufbaumäßig möglichst guten Vertragstext zu generieren (siehe Punkt 9) und zeitliche und finanzielle Ressourcen in möglichst geringem Umfange zu verbrauchen (siehe Punkt 3).